Der Geist der Jungfer Berthe
An manchen Abenden kann man bei Einbruch der Nacht auf den Ruinen des Schlosses, dort, wo sie ihren Tod fand, die Comtesse Berthe von La Roche sehen..
Von 13 Juli - 24 August, in der Abenddämmerung, sichtbar nur von der stadt aus
(Bei Regen erscheint das Schlossgespenst nicht)
Wer ist Berthe ?
Ein Sire aus La Roche, der sein stattliches Vermögen nur seiner einzigen Tochter Berthe vererben konnte, ließ im Schloss ein großes Turnier veranstalten. Die Hand der reichen Erbin sollte dem Ritter gehören, der in einem ehrlichen Kampf sich all seiner Rivalen entledigen würde.
Der erste Ritter, der sich vorstellte, war der Comte de Montaigu, ein vor Kraft strotzender Koloss, den bislang keine gegnerische Lanze aus dem Sattel hatte werfen können.
Keine weiteren Kämpfer erschienen.
Allerdings hatte der Comte de Montaigu seine Treue bereits der Comtesse Alix de Salm geschworen.
Erst kurz vor dem angekündigten Beginn des Kampfes traf ein Reiter im Hof ein. Was für ein sonderbarer Herausforderer! Von winziger Statur, fast ein Kind. Beim Anblick des schmächtigen Gegners schüttelte sich der Comte de Montaigu in einem gewaltigen Lachanfall.
So wurde also vor den Augen der anwesenden Ritter und Damen der ungleiche Kampf eröffnet.
Mit einem gewaltigen Klappern seiner Rüstung, im schweren Galopp seines Schlachtpferds, stürzte sich der Comte de Montaigu auf seinen schwachen Gegner, der nur leichten Harnisch trug. Mit äußerster Gewandtheit wich sein Reittier dem mächtigen Schlag des Comte geschmeidig aus.
Der Comte drehte sich um und wandte sich von neuem, diesmal langsamer und mit mehr Methode, gegen seinen geschickten Rivalen. Aber so oft er auch ansetzte, seine Versuche blieben ohne Wirkung und ihm wurde furchtbar heiß. Also lockerte er seine Montur, während der kleine Ritter ihn in aufrechter, herausfordernder Haltung erwartete.
So nahm der Comte erneut Anlauf. Das Schwert des Hünen drehte sich in der Luft, dass man es stählern blitzen sah, und ging über dem unbesonnenen Jüngling nieder...
Aber der war bereits ausgewichen, während der Comte mit der ganzen Kraft seiner schweren Masse aus dem Sattel stürzte und mit dem Geräusch zerberstenden Stahls auf den Boden schmetterte. Und mit dem behänden Streich seines Degens durchschnitt der kleine Ritter dem massigen Comte die Kehle...
Im nächsten Augenblick führte der glückliche Vater das junge Paar bereits die Stufen des Bergfrieds hinauf zum Brautgemach.
Am nächsten Morgen, bei Tagesanbruch, ungeduldig, die Verlobung zu verkünden und das Glück des jungen Paares zu teilen, wartete der Vater im Hof des Schlosses. Doch die Sonne stieg höher und höher, ohne dass ein Zeichen von ihnen zu sehen war. Des langen Wartens müde stieg er die Stufen des Bergfrieds hinauf und klopfte an die Tür des Schlafgemachs. Keine Antwort... Nicht im Stande, seine väterliche Sorge zu zügeln, stieß der Vater die Tür auf. Das Zimmer war leer und das Fenster stand weit offen. Da stürzte er hin und blickte mit Schrecken in die Tiefe: Dort unten waren auf den Felsen am Ufer der Ourthe zwei Punkte auszumachen: einer schwarz, der andere weiß.
Der geheimnisvolle Ritter war niemand anderes als die Comtesse Alix de Salm. Nachdem sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte, rächte sie sich in dieser Verkleidung am Comte de Montaigu und der schönen Berthe von La Roche...
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